Jutta Kissling – das Spiel mit den Puppen
“ … gewonnene Unabhängigkeit, die mir soviel Freiheit lässt, denn ich „spiele“ so gerne mit Puppen.“ Jutta Kissling
Eine kleine Drehung des Kopfes, den Arm ein bisschen anheben, eine kleine Drehung – und schon wird aus dem schüchternen Kind ein neugieriges oder gar ein kokettes Mädchen. Das kann nicht sein? Doch, mit den Puppen von Jutta Kissling ist es möglich. Mit ihnen können wir zwar nicht spielen, aber wir können inszenieren.
Den Ausdruck im Gesicht und Körperhaltung deutet sie nur an. Es bleibt immer noch Raum zum Verändern, zum Interpretieren und zum Spielen. Die Gesichter ihrer Puppen sind ernst aber sie haben einen Ansatz von Lächeln. Je nach Drehen oder Senken des Kopfes blickt die Puppe plötzlich verzagt oder selbstbewusst, etwas gekränkt oder gar mutig ins Leben. Glasaugen empfindet die Künstlerin als Fremdkörper und deshalb haben alle ihre Puppen gemalte Augen, die der übrigen Bemalung perfekt angepasst werden.
„Seit ich mit dem Puppenmachen angefangen habe, ist mir klar, dass meine Puppen keine Spielpuppen für kleine Kinder sind, sondern Sammlerpuppen für Erwachsene. Weil mir dies von Anfang an klar war, konnte ich es mir erlauben, die gesamte Puppe aus dem zerbrechlichen Material Porzellan anzufertigen. Das heißt, kein plötzlicher Wechsel von hartem Porzellan zu weichem Stoff, kein Verstecken von angenähten Oberarmen und Oberschenkeln, kein wohlgeformtes Bein, das in einem Stoffabnäher endet, sondern ein durchmodellierter Körper aus einem Guss, sozusagen. Bei einer Puppe fand ich die Möglichkeit, meine verschiedenen Ambitionen in künstlerischer Richtung zu vereinen.“
Jutta Kissling modelliert Puppen nach den Vorbildern von Kindern die über das Kleinkinderalter hinaus sind und die ersten Schritte zur eigenen Persönlichkeit wagen. Sie fordern nicht zum Kuscheln auf, sondern wollen ernst genommen werden. Ihre Puppen sollen Puppen bleiben, das heißt, sei haben eine handliche Größe und die Proportionen entsprechen eher einer Puppe als einem lebendigen Kind. Die Gelenkkörper der Puppen sind vollständig aus Porzellan gearbeitet, es gibt keinen Körper aus Stoff oder Holzkugeln als Gelenke. Sie formt eine Puppe, die Kopf, Arme und Beine bewegen kann und die frei, ohne Stütze fest auf ihren zwei Beinen stehen kann.
Für die einfache und schnörkellose Bekleidung ihrer Puppen verwendet sie natürliche Stoffe wie Baumwolle, Seide oder Leinen. Vervollständigt wird die Garderobe mit selbst entworfenen Schuhen und Stiefelchen. Das Üppige und Pompöse liegt Jutta Kißling überhaupt nicht. Sie findet, dass die Schlichtheit der Kleidung zum Alter ihrer Puppen passt – und ich behaupte, sie hat vollkommen recht!
Geboren wurde Jutta Kissling im Jahr 1942. Nach der Schule absolvierte sie eine kaufmännische Ausbildung und wurde schließlich Werbefachfrau. Doch trockene Zahlen und Daten fand sie nie sehr interessant und so arbeitete sie nur halbtags in einer kleinen Firma, um in der zweiten Tageshälfte Puppen herstellen zu können.
Begonnen hat ihr Spiel mit den Puppen – wie sie es nennt – mit einem gekauften, fertig gedrechselten Holzkopf. Zuerst versuchte sie es mit Holzmehl, Ton und Cernit und landete schließlich beim Porzellan. Die ersten Porzellanpuppen wurden lebendige, lange, schlaksige Mädchen mit ernsten, lustigen oder verschmitzten Gesichtern.